Theaterpädagogik ist … mehrsprachig!

oder: Sprachen lustvoll erleben

Während früher alle Kinder einer Klasse derselben Muttersprache waren, werden unsere Schulen nun zunehmend mehrsprachig. Sprachenlernen ist in unserer globalisierten Gesellschaft von größter Bedeutung. Dabei geht es nicht um grammatikalisches Wissen, sondern um die Fähigkeit, Sprache situationsgerecht anzuwenden. Theaterpädagogik kann da natürlich gute Dienste leisten.

Seit mehreren Jahren wird am Herz-Jesu-Institut in Mühlbach das Konzept des mehrsprachigen Lernens praktiziert. Dafür arbeiten alle Sprachlehrkräfte zusammen und das Angebot geht weit über das normale Erlernen einer Sprache hinaus. Nicht nur die drei Bildungssprachen Deutsch, Italienisch und Englisch werden in der Schule in ganz speziellen Projekten praktiziert, sondern es geht um grundsätzliche Mehrsprachigkeit, wie sie in unserer Gesellschaft eigentlich mittlerweile ganz normal ist.

So hat das Herz-Jesu-Institut neben Wahlfächern, in denen mehrsprachiges Theater oder Englisch-Theater stattfindet, auch offene Angebote wie Sprachtische oder ein Sprachendorf, das sich an Schüler*innen mit einem besonderen Talent für das Erlernen von Sprachen richtet. Bei all diesen Angeboten spielt Theaterpädagogik eine besondere Rolle und Elfi Troi hat sich in ihrer 20jährigen Erfahrung als Englischlehrerin und Theaterpädagogin einen großen Erfahrungsschatz an Übungen und Themen erarbeitet.

Ein paar Fragen an Elfi Troi

Was will mehrsprachiger Unterricht? Und was hat Theaterpädagogik damit zu tun?

Ziel der Mehrsprachendidaktik ist es, situationsgerecht auf einen Gesprächspartner eingehen zu können, in einer Sprache zu handeln und auch innerhalb der bekannten Sprachen zu switchen. Es geht weniger um grammatikalisch perfektes Sprechen, sondern darum, dass der Sprechende im Redefluss bleibt, den Inhalt dessen, was er sagen will rüberbringt. Was beim Reden so schwierig ist – besonders in der Fremdsprache – ist Wortschatz, Grammatik, Redefluss, und die richtige Form alles im Moment, im Augenblick griffbereit zu haben – beim Schreiben kann ich immer wieder nachschauen und kontrollieren, beim Reden nicht. Improvisationsübungen und Übungen aus dem Repertoire der Theaterpädagogik helfen den Schüler*innen. Sie lernen spontan zu sein, flexibel und in der Situation zu reagieren.

Auch sonst hat Theater natürlich viel mit Sprache zu tun und so ist es kein Wunder, dass die Mehrsprachendidaktik aufgrund kommunikativen Ansatzes die Methoden der Theaterpädagogik nutzt. Ein großer Vorteil ist natürlich, dass theaterpädagogische Einheiten den Schüler*innen die Möglichkeit geben, lustvoll mit verschiedenen Sprachen umzugehen – gerade in unseren Mehrsprachigkeitsprojekten kann ich den großen Spaß beobachten, den das Switchen von der einen Sprache in eine andere den Schüler*innen macht.

Sprache wird gleich angewendet, die theatrale Situation gibt den Lernenden die Möglichkeit, mit Sprache zu spielen, in einem geschützten Raum damit zu experimentieren und zwar nicht in dem bisher üblichen Lehrer-Schüler-Dialog, der oftmals sehr fehlerorientiert ist. Die Gespräche drehen sich nicht um Lehrbuchinhalte, sondern sind situativ – manchmal sind es Alltagssituationen, oft sind Geschichten der Anlass oder historische Gegebenheiten, die den Inhalt der mehrsprachigen Stunden bilden. Auch aktuelle Themen können wunderbare Sprechanlässe bilden. Alles hat Platz und in dem Sinn sind die Stunden auch fächerübergreifend.

Die Schüler*innen entwickeln eine Figur, agieren in dieser Figur, was gleichzeitig einen gewissen Schutz bildet – eventuelle Fehler macht ja die Figur und nicht sie selbst – und so werden Sprachbarrieren abgebaut und die Schüler*innen getrauen sich, in einer fremden Sprache zu sprechen. Es geht um den Inhalt, nicht um Richtig oder Falsch.

Dadurch dass in den theaterpädagogischen Übungen auch der Körper eine wichtige Rolle spielt und Bewegung mit eingebaut wird, können die Schüler*innen mit allen Sinnen arbeiten, mit Körpereinsatz, pantomimisch. Dadurch wird der Sprachlernprozess an motorische Abläufe angeknüpft und verankert sich viel besser im Gehirn.

Dazu kommt, dass bei den theaterpädagogischen Einheiten, die Anweisungen in anderen Sprachen gegeben werden. Die Schüler*innen hören diese Anweisungen in einer Zweit- oder Drittsprache und so wird ihr Hörverständnis geschult. An ihrer Reaktion kann ich erkennen, ob sie verstanden haben.

Was mir zudem immer ein Anliegen war ist, dass die Arbeit prozessorientiert ist, aber dass Ergebnisse, die am Ende gezeigt werden, trotzdem eine gewisse Ästhetik haben. Es ist künstlerische Arbeit und so wird das Sprachenlernen gleichzeitig zu einem Raum für Kreativität und fördert die Gruppendynamik.

Wie wird der Lernerfolg gemessen?

Den wirklichen Lernerfolg kann man wahrscheinlich erst aus der zeitlichen Distanz heraus messen. In unserem Sprachunterricht geht es nicht darum Geschichten auswendig zu lernen, die wiedergegeben werden, sondern um das Erlernen von sprachlichen Strukturen, die die Schüler*innen überall, in verschiedenen Kontexten, anwenden können. Theaterpädagogische Übungen geben ihnen die Möglichkeit, sie zu recyceln und sie immer wieder anzuwenden. Ziel ist eine funktionale Sprache – es hat immer einen Sinn und Relevanz, was die Schüler*innen sagen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass unsere Schüler*innen selbstbewusster auftreten, sie getrauen sich, frei zu reden, zu improvisieren. Aus Rückmeldungen der Schüler*innen ging hervor, dass gerade bei Auslandsaufenthalten, wie zum Beispiel im Familienurlaub oder bei unseren Sprachaufenthalten in Irland die Schüler*innen von den mehrsprachigen Theaterprojekten profitiert haben. Wenn sie auf der Straße in italienischer oder englischer Sprache angesprochen werden, können sie spontan eine Antwort geben. So kann man behaupten, dass diese Art der Sprachvermittlung die Kinder vorbereitet auf das Leben außerhalb der Klasse und das ist es, was Sprachunterricht schlussendlich erreichen will.

Wie schaut ganz konkret eine theaterpädagogische Einheit im Bereich Mehrsprachigkeit aus?

In den mehrsprachigen Einheiten arbeiten wir häufig zu zweit. Die Lehrpersonen für Englisch und Italienisch arbeiten da sehr eng zusammen, wobei in unserem Fall diese Lehrpersonen auch in den Sprachen Französisch, Russisch und Spanisch bewandert sind und Kinder anderer Muttersprache als Expert*innen für ihre Sprache eingebaut werden.

Beginnen tun wir normalerweise so, wie ich auch eine ganz normale Theaterprobe beginnen würde: Mit Raumlauf, Kreisübungen – wobei wir auch da bereits Sprache und Körper miteinander verbinden und Impulse in verschiedenen Sprachen geben.

Darauf folgen verschiedene Übungen aus der Dramapädagogik oder Theaterpädagogik. Ein paar davon stelle ich hier gern vor.

 

Spielvorschlag

Yes, let’s do it – e adesso facciamo – Lass uns …

Wir gehen durch den Raum. Ein Kind ruft „Let’s act!”, die anderen antworten: „Yes, let’s do it!“ und sie tun, was das Kind vorgeschlagen hat und zwar so lange, bis ein anderes Kind in einer anderen Sprache einen Vorschlag für eine Tätigkeit mit B am Anfang macht und so das ganze ABC durch. Die Vorschläge zu den Bewegungen werden in verschiedenen Sprachen gegeben, wenn jemand einen Vorschlag in einer Sprache macht, die die anderen Kinder nicht kennen, wird er von den anderen Kindern wiederholt und dabei die Handlung ausgeführt. Dabei prägt sich ihnen die Vokabel ein.

Spielvorschlag

Something has changed

Eine Übung zur Wahrnehmungsschulung und Erinnerung

Die Kinder bilden einem Innen- und einen Außenkreis und stehen sich gegenüber. Sie mustern sich gegenseitig genau und beschreiben einander in einer Sprache, z.B. Englisch. Dann drehen sie sich um und verändern etwas an sich, wenden sich wieder einander zu und sagen dann in einer anderen Sprache, was sich verändert hat.

Spielvorschlag

Drei Dialoge – Switchen

Situation 1: Die Schüler*innen bilden Paare und spielen in italienischer Sprache eine Beschwerdesituation in einem Hotel nach. Vorgabe: Der italienische Gast regt sich an der Rezeption auf, weil in seinem Zimmer etwas nicht funktioniert.

Situation 2: Die Schüler*innen suchen einen neuen Partner und spielen jetzt in deutscher Sprache eine Szene im Restaurant. Vorgabe: Wieder eine Art Beschwerde und zwar ist diesmal ein Gericht falsch geliefert worden.

Situation 3: Wieder suchen die Schüler*innen einen neuen Partner und spielen diesmal in englischer Sprache eine Szene. Vorgabe: Regisseur und Schauspieler – der Schauspieler weigert sich, eine gewisse Szene zu spielen.

Wenn alle drei Szenen stehen, sagt der/die Spielleiter*in nur mehr die Zahlen an und die Spieler gehen mit dem Partner zusammen, mit dem sie in der Situation gesprochen haben und spielen die Situation weiter, werden dann wieder unterbrochen und spielen die nächste Situation weiter. Sie dürfen nicht wieder von vorne anfangen - müssen sich an Sprache, Situation und Person erinnern. Interessant ist, dass sofort der Konflikt im Vordergrund steht, also der Inhalt und die Kinder in den Szenen völlig aufgehen. 

Spielvorschlag

I’ve got a bad toothache

Wir gehen von der Situation aus, dass der Brieffreund aus Amerika da ist und bei seinem Aufenthalt hier in Europa grässliche Zahnschmerzen bekommen hat. Die einheimische Brieffreundin geht mit ihm zum italienischen Zahnarzt. Der italienische Zahnarzt kann dummerweise nicht wirklich gut Englisch, der amerikanische Brieffreund nur Englisch. Die Freundin muss jetzt übersetzen.

Das Ziel ist Mediation, übersetzen, sich gegenseitig helfen und den Inhalt einer Sprache in die andere zu übertragen. Die Geschichte hat sogar eine Fortsetzung. Sie gehen heim und jetzt versucht die Freundin der Mutter auf Deutsch zu erzählen, was beim Zahnarzt passiert ist.